Der Wolfurter Ortsteil Strohdorf wird zum kulturellen Herzstück der Hofsteiggemeinde. Die Musikschule mit Bücherei ist der jüngste, vielversprechende Nachwuchs im sich formierenden Ensemble.
Tobias Hagleitner | VN / Leben & Wohnen | 22.04.2017
Architekturwettbewerb vor gut drei Jahren war eingebettet in den von Cukrowicz Nachbaur Architekten erstellten Masterplan zur Quartiersentwicklung. Das belebte Areal mit den bereits vorhandenen Kultur- und Bildungsbauten (Cubus, Mittelschule, Gemeindeamt) sollte durch passende Ergänzungen als zusammenhängende Quartiersmitte erlebbar werden, sich nach und nach zum Kultur- und Bildungscampus der Gemeinde entwickeln. Der Musikschule ist eine entscheidende ortsräumliche Stellung in dem neuen Gefüge zugedacht. Im Kreuzungsbereich der Schulstraße mit dem Sternenplatz bildet das Haus den prominenten Platzabschluss und dient als Drehgelenk zum historischen Dorfkern um die Kirche. Fink Thurnher Architekten haben die vorgesehene Rolle im Ortskonzept gut verstanden und eine gelungene Interpretation vorgelegt. Da das Musik- und Lesehaus einen wichtigen Part im Arrangement spielt, ist sein Auftritt entsprechend prominent und selbstbewusst. Zugleich ist es aber sehr darauf bedacht, sich in die Komposition einzuweben, sie mitzutragen. Seine Architektur ist wie ein kräftiger, klarer Grundakkord für das entstehende Gesamtwerk im Strohdorf.
Teamplay und Gemeinsamkeit sind auch Musikschuldirektor André Meusburger ein Anliegen. Kinder und Jugendliche sollen gemeinsam musizieren, Verantwortung füreinander übernehmen und zusammen Projekte entwickeln können. Mit dem Neubau sind dafür nun die besten Voraussetzungen geschaffen. Bislang war das Lehrangebot auf verschiedene Standorte verteilt, zum Teil in ungeeigneten Räumlichkeiten. „Jetzt ist alles sehr kommunikativ,“ freut sich der Flötist und Schulleiter, „wir haben alles unter einem Dach. Das wirkt sich sehr positiv aus.“ Sehr überzeugend gelungen und für kommunales Bauen vorbildlich ist die Mehrfachnutzung des Gebäudes, das mit der Bücherei und Spielothek im Erdgeschoß das kulturelle Angebot am Ort verdichtet. Damit werden Synergien genutzt, Anfahrtswege, Kosten und Ressourcen gespart. Nicht wenige werden die Gelegenheit nutzen, sich vor oder nach dem Unterricht mit Büchern einzudecken oder die Wartezeit auf den Bus oder das musizierende Kind mit Lektüre oder Spielen zu verbringen.
Es sind aber nicht die Funktionen allein, die ein Haus zum Anziehungspunkt macht. Wesentlichen Anteil daran, wie intensiv und gerne es genutzt wird, hat die Qualität seiner Gestaltung. Und die ist bei der Musikschule am Hofsteig auf sehr hohem Niveau. Fink Thurnher haben eine architektonische Einladung formuliert. Das Erdgeschoß öffnet sich nach allen vier Seiten. Glasflächen, Rücksprünge und Nischen wirken wie freundliche Gesten in die Umgebung. Der Einschnitt im Norden bietet ein ansprechendes Entrée Richtung Sternenplatz. Zur stark befahrenen Schulstraße, die im Rahmen des Masterplans als Begegnungszone „Hofsteig-Ader“ ebenfalls neu konzipiert worden war, ergibt sich eine geschützte Bushaltestelle. Im Süden und Osten verbinden Loggien die Bibliothek mit der von Markus Cukrowicz fein gestalteten Gartenfläche, die im Lauf der Jahre und mit dem Wuchs der Bäume an Attraktivität noch gewinnen wird.
Innen setzt sich die Mischung aus klarer Struktur und lebendig fließenden Raumfolgen fort. Ein Luftraum verbindet die drei Musikschulgeschoße zum vertikalen Foyer, das spannende Blickbeziehungen quer durch die Etagen bietet. Der leise Restschall aus den Zimmern mischt sich zum freundlichen Hausklang. Neben den 15 Unterrichtsräumen gibt es ausreichend Platz für die Arbeit in Workshop und Ensemble für Verwaltung und Lehrpersonal. Dass das Gebäude nicht selbstbezüglich ist, sondern etwas mit der Gemeinde, mit der Umgebung zu tun haben will, zeigt sich auch an den Fenstern. Sie bieten nicht nur Licht und Sicht für innen, mit ihren breiten Messingrahmen sind die Glasflächen zugleich Schaukästen für draußen. Das ist Architektur, die das gemeinsame Tun motiviert und fördert, kultivierte Gestaltung, die die Menschen einlädt und am Geschehen teilhaben lässt. So soll öffentliches Bauen sein.
‚Baukulturgeschichte‘ im Auftrag des vai Vorarlberger Architektur Institut für das Magazin Leben & Wohnen der Vorarlberger Nachrichten.