Die Wohnanlage mitten in Andelsbuch ist ein Beispiel für sinnvolle Verdichtung im Dorfkern, ein vorbildlicher Beitrag zum Thema Wohnen im Alter und sie gibt eine Ahnung davon, wie sich das Konzept „sozialer Wohnbau“ überwinden ließe, um einer Idee vom gemeinschaftlichen, guten Leben Platz zu machen, die das eigentliche Ziel allen Planens und Förderns, allen Bauens und Gestaltens sein sollte.
Tobias Hagleitner | VN / Leben & Wohnen | 01.02.2020
Quadratischer Grundriss, symmetrische Fassaden, überhöhte Form, oft ein Zeltdach – in der Wälder Bautradition waren diese Merkmale Gebäuden von besonderem Rang vorbehalten, Gemeindeamt, Pfarrhaus, Schule. Nun gibt es mitten in Andelsbuch gleich vier neue Häuser, die sich ähnlich aus der Masse heben. Im Gegensatz zu den typologischen Vorfahren repräsentieren sie weder Amt noch Würdenträger. Die Sonderstellung gebührt dem Ensemble trotzdem.
Erstens, weil mit dem Haus „miteinander füreinander“ ein betreubares Wohnangebot der Gemeinde zur Siedlung dazugehört, also ein wesentliches Element sozialer Versorgung an idealer Stelle ins Ortsgefüge integriert wird. Zweitens verfolgt die Konzeption der drei weiteren, privaten Wohngebäude das sinnvolle, am Gemeinwohl orientierte Ziel, Bebauung dort zu verdichten und unterschiedliche Generationen und Lebensmodelle dort zusammenzubringen, wo es der Gemeinde guttut: mitten im Zentrum. Die Gebäude sind nicht gerade klein, aber sie stehen mit ihrem Programm am richtigen Fleck, in einer Dichte, die ins Kerngebiet passt. Sie sind außerdem so durchlässig gesetzt, dass genug Platz bleibt für attraktive Blickachsen und Wegverbindungen.
Der Gemeinde gehört das nordwestliche Objekt. Wohnen mit Unterstützung, Begleitung oder Betreuung wird hier angeboten. „Betreubares Wohnen“ greift zu kurz. Es ist ein umtriebiges, vielseitig genutztes Haus, wie beim Rundgang mit Architekt Klaus Metzler, der gemeinsam mit Werner Krismer für das Gesamtprojekt verantwortlich zeichnet, deutlich wird: „Die klassische Betreuungssituation wollten wir vermeiden“, sagt er, „wir wollten Leben im Haus.“
Schon das Foyer im Erdgeschoß strahlt diese Lebendigkeit aus. Innenfenster bringen Naturlicht ins Treppenhaus und gewähren Einblick in die anschließenden Räume: links neben dem Eingang die Koordinationsstelle für alle Anliegen im und ums Haus, geradeaus der Saal. Hier gibt es Tagesbetreuung für interne wie externe Gäste, mittags kommen Schulkinder zum Essen. Gekocht wird in der hauseigenen Küche.
Das kluge Nutzungskonzept wurde von einer eigenen Projektgruppe erarbeitet, geleitet von den Architekten Christian Feldkircher und Albert Moosbrugger (alias firm), Spezialisten für Bauherrenberatung in diesem Bereich. Als Nutzerin und damit Expertin für das geeignete Raumprogramm war die Hausleiterin Verena Marxgut von Anfang an dabei: „Es war wertvoll, dass alle, die hier arbeiten, bei der Entwicklung involviert waren“, zeigt sie sich sehr zufrieden vom Prozess und vor allem vom Ergebnis und begleitet uns hinauf in den ersten Stock.
Ein im Kern weitgehend offener Grundriss bietet hier eine gemütliche Gemeinschaftswohnung für sechs Personen, wobei es den Architekten gelungen ist, die umgebenden Einzelapartments durch raffinierte Zonierung nicht als „Pflegezimmer“, sondern als vollwertige Wohnung im Miniformat auszubilden. Im Geschoß darüber sind vier Kleinwohnungen mit je 50 m² untergebracht. Im dritten Stock sind es zwei Einheiten mit je 75 m² und im Dachgeschoß gibt es eine ergänzende Kleinwohnung für Kurzzeitnutzung nach Bedarf, zum Beispiel für Angehörige.
Die Idee von Gemeinschaft und Durchmischung wurde nicht auf das „betreubare“ Haus beschränkt. Bauträger beziehungsweise Bauherr Werner Schedler war das auch für den Rest der Anlage wichtig, die komplett im Rahmen des geförderten Wohnbaus, also nach engen Kosten- und Bauvorgaben, realisiert wurde. So gibt es einen gemeinsamen Garten und zudem altersgerechte Hochbeete, an denen jede einzelne Wohneinheit Anteil hat. Von der Bewohnerschaft der vier Häuser wird zudem ein eigenes Gemeinschaftshaus betrieben. Es gibt da einen Pizzaofen, einen lauschigen Dachboden als Indoor-Spielplatz für die Kinder, Waschküche und Werkstatt im Keller.
Schedler wohnt auch selbst in einem der Häuser: „Es geht darum, dass die Leute eine Möglichkeit haben für Austausch und Geselligkeit. Dazu müssen wir aber die herkömmlichen Wohnformen aufbrechen“, meint er mit Blick aufs Wohnen im Alter, auf das Problem der Vereinzelung und die damit verbundenen Kosten: „Wir können nicht erwarten, dass die jüngeren Generationen das in der jetzigen Form weitertragen.“
‚Baukulturgeschichte‘ im Auftrag des vai Vorarlberger Architektur Institut für das Magazin Leben & Wohnen der Vorarlberger Nachrichten.