Ein moderner Stall ist in der Regel eine lange, monotone Halle, weit draußen, außerhalb der Siedlung. Vom „Erlebnis Bauernhof“, bekannt und beliebt aus Werbung und Bilderbuch, kann in solchen Agrarbetrieben keine Rede sein. Wie gut für unsere Sehnsucht nach Sinnlichkeit und Sichtbarkeit, nach glücklichen Schweinen und Kühen, nach duftendem Heu und Ziegenaroma, dass auch diese Regel ihre Ausnahmen hat – in Röthis etwa: ein Stall, der eigentlich ein „umgekehrter Zirkus“ ist.
Tobias Hagleitner | VN / Leben & Wohnen | 11.12.2019
Schon einige Jahre hatten Armin und Monika Ebenhoch überlegt, wie ein neuer Stall sinnvoll in die bestehende Hofanlage integriert werden könnte. Bei den relativ beengten Verhältnissen des Grundstücks mitten im Röthner Zentrum keine einfache Aufgabe. Klar war nur eins, erinnert sich der Landwirt an die täglichen Mühen im kleinteiligen alten Stall: „Entweder wir bauen etwas oder wir lassen das Ganze bleiben.“ Verkaufsschlager am Hof ist ohnehin der Most. Man hätte sich darauf konzentrieren und die Tierproduktion aufgeben können.
So wäre es vielleicht gekommen, hätte der Bauer und gelernte Zimmerer nicht eines Morgens, mitten im Ausmisten, eine zündende Idee gehabt: „Was wäre, wenn wir einen umgekehrten Zirkus machen?“ Noch in Gummistiefeln, zeichnete er den Einfall schnell auf eine Holzplatte. „Moment,“ zwinkert Armin Ebenhoch, „irgendwo steht sie noch herum“, verschwindet im Lager und erscheint mit einer verstaubten Schaltafel wieder. Ganz klein in einer Ecke ist da mit ein paar Bleistiftstrichen die Grundidee für das Stallgebäude, wie es heute dasteht, festgehalten: ein achteckiger Grundriss, in der Mitte die „Manege“ zur Versorgung, ringsum aufgefädelt die Liegeflächen für die Tiere.
Die Zirkus-Idee kommt nicht von ungefähr. Fast exakt am Bauplatz wurde schon einige Male ein kleines Zirkuszelt aufgestellt, das sich für die großen Hoffeste bestens bewährte. Und in dem gastfreundlichen Betrieb mit Direktvermarktung spielen das Zuschauen, das Erleben und Dabeisein seit jeher eine große Rolle – ein bisschen wie im Zirkus eben. Der Hof ist Teil des öffentlichen Geschehens mitten im Ort. Unmittelbar daneben steht das Vorderlandhus, gemeinsames Altersheim und Sozialzentrum von acht Gemeinden der Region, auch Kindergarten und Volksschule sind nicht weit.
Armin und Monika Ebenhoch schätzen das Interesse und binden Groß und Klein mit unterschiedlichen Angeboten aktiv ins Geschehen ein. Für die Gestaltung des Hofs und insbesondere eines Neubaus bedeutet die große Aufmerksamkeit aber auch eine Verantwortung, die der Bauherrschaft von Anfang an bewusst war. „Als Zimmermeister hätte ich den Holzbau selbst planen dürfen“, sagt Armin Ebenhoch, „aber das ist eine sehr sensible Angelegenheit mitten im Dorf. Da muss alles passen.“ So wurde mit der ausgebildeten Architektin Heike Bruckner, damals Planungsberaterin der Landwirtschaftskammer, eine engagierte Partnerin gefunden, um die erste Skizze in ein einreichfähiges Projekt zu verwandeln. Baurechtsverwaltung, Gestaltungsbeirat und Nachbarschaft stimmten zu und die ungewöhnliche Idee konnte verwirklicht werden.
Im Erdreich versenkt bildet der kreisrunde Güllebehälter die unsichtbare Basis des Gebäudes. Die Bodenplatte darüber dient mittig als Futtertisch und Aktionsbereich für Mensch und Maschine, rundherum wurden die Liege- und Laufbereiche für die Tiere angeordnet. Ein Teilsegment des Achtecks enthält die gesamte technische Infrastruktur. Ein großes Einfahrtstor verbindet den Stall mit dem Hof. Das „Galeriegeschoß“ über den Tieren zur Lagerung von Stroh und Heu, der Dachaufbau mit Lüftungslaterne und die Fassaden wurden in Holz ausgeführt.
„Die funktionalen Abläufe sind hier im Grunde nicht neu“, erklärt Heike Bruckner, „ungewöhnlich ist eher die radiale Anordnung.“ Innovativ im landwirtschaftlichen Bauen sind auch die schräg gestellten Holzfassaden, die anstelle eines Dachvorsprungs für den konstruktiven Holzschutz sorgen. „Das hat Anklang gefunden und ist seither bei weiteren Projekten zur Anwendung gekommen“, weiß die Expertin. Wirklich unkonventionell wird es aber auf dem Dach. Dort war Armin Ebenhoch eine intensive Begrünung wichtig, was statisch einen gewissen Mehraufwand bedeutete. „Abmähen muss ich das nicht“, deutet der Bauer auf die Ziegen, die gerade über einen Baumstamm nach oben klettern, „ich habe Rasenmäher.“
‚Baukulturgeschichte‘ im Auftrag des vai Vorarlberger Architektur Institut für das Magazin Leben & Wohnen der Vorarlberger Nachrichten.