Ein beherzter Sprung ins kühle Nass, Gras zwischen den Zehen spüren, sich von der Sonne trocknen lassen, Blätterkino im Schatten eines Baums. Das sind kleine Sommerfreuden. Architektur ist erholsam, wenn sie die Sinnlichkeit solcher Momente erkennt und wichtig nimmt. Drei Beispiele.
Tobias Hagleitner | HYPOtime, 2018/II
Die Räume, in denen wir unseren Alltag verbringen, wo wir wohnen und arbeiten, folgen in den meisten Fällen dem Prinzip der Optimierung für einen ganz bestimmten Zweck. Die Küche ist ideal zum Kochen, das Schlafzimmer ist zum Schlafen da, die Garderobe für die Schuhe. Fein säuberlich werden „Funktionen“ unterschieden und erfüllt und fertig ist das Haus, die Wohnung, der Betrieb. Das spart Zeit und Platz und damit Kosten. Nur logisch also, dass im Normalfall so gebaut wird. Aber daraus ergibt sich auch ein Mangel. Denn manchmal können oder wollen wir gerade nicht „funktionieren“. Dann sehnen wir uns nach Räumen, die uns einfach mal in Ruhe lassen mit ihrer Zweckdienlichkeit, die vielleicht sogar weniger Optionen bieten, dafür aber auch nichts fordern. Das ist es, was ein sogenanntes Lusthaus ausmacht, was Ferienwohnung, Sacherl oder Gartenhütte können sollen.
Badehaus
Im Oeuvre der Welser Architekten Luger & Maul gibt es eine ganze Reihe von Pavillons und Kleinbauten, die diese Kunst beherrschen. Vereinfachung der Ausstattung aufs minimal Notwendige, zur Maxime werden stattdessen die Qualität des Handwerks und des Materials, die Öffnungen und Blickbeziehungen, die Verbindung mit der Landschaft. Bei den Badehäusern des Büros bestimmt der See die Gestalt und Position der Baukörper. Aus Holz gebaut, in einfacher, klarer Raumstruktur, machen sie den See (die Wellen, das Rauschen, die Spiegelungen) zum eigentlichen Interieur des Hauses. Bei dem Objekt in Unterach am Attersee etwa lässt sich die Wirkung der Landschaft mittels Klapp-, Falt- und Schiebeläden unterschiedlich inszenieren. Wer hier verweilen darf, kann die Natur als Schauspiel täglich neu erleben.
Gartenhaus
Auch mitten in der Stadt lässt sich ein Ort des Rückzugs einrichten. Ein solches Refugium hat Architekt Gernot Hertl im Ennsdorf in Steyr geschaffen. Hier bilden die Außenmauern eines fast verfallenen Bauernhauses den Rahmen für ein Schauspiel anderer Art. Nicht um die Weite der Landschaft geht es bei dieser Architektur, sondern um die Sinnlichkeit der Umfriedung, um den Reiz eines abgeschiedenen Gartens. Vielschichtig überlagert und durchdringt der neue Baukörper aus Beton die bestehende Substanz. So ergeben sich spannende Kontraste von innen und außen, von Enge und Weite, überraschende Lichteinfälle, versteckte Nischen und gemütliche Plätzchen. Das Gartenhaus bietet Ruhe und Einkehr und wird gerade deshalb vom Büro auch als Laboratorium geschätzt, als Ort der fokussierten Arbeit, für Besprechung oder Seminar genutzt. In den Sommermonaten wird Kulturprogramm geboten.
Steinhaus
Im hohen Norden Oberösterreichs steht das Bauernsacherl, das die Brüder Simon und Gregor Wakolbinger – seit 2014 gemeinsam als waax Architekten tätig – architektonisch überarbeiteten. 1830 in traditioneller Mühlviertler Steinbloß-Bauweise errichtet, dient es seit den 1980er Jahren als Ferienhaus. Möglichst viel vom Altbestand sollte erhalten bzw. der Originalzustand wiederhergestellt werden, um die vorhandenen Qualitäten, die Ursprünglichkeit des Materials und das Raumangebot wieder wirksam zu machen. Der Dachboden wurde ausgebaut, ohne den alten Dachstuhl anzugreifen. Das Bewahren der Holzkonstruktion, das Freilegen der Steinwände, die Umnutzung von Granitfuttertrögen als Waschbecken – all das bedeutet Aufwand, nichts wird dadurch praktisch oder effizient. Aber es bietet eben das, wonach sich viele sehnen: Architektur statt Pragmatismus. Raum als sinnliches Erlebnis.
Die Reihe ‚Architektur in Oberösterreich‘ im Kundenmagazin der HYPO Oberösterreich entstand auf Initiative von Tobias Hagleitner und in Kooperation mit dem afo architekturforum oberösterreich.