Wenn es um Innenarchitektur geht, verlassen sich viele ganz auf den eigenen Geschmack und persönliche Vorlieben. Das ist auch gut und richtig so, soll doch ein privater Rückzugsraum geschaffen werden, der schlicht jenen zu gefallen hat, die ihn bewohnen.
Tobias Hagleitner | HYPOtime, 2018/IV
Wenigstens innerhalb der eigenen vier Wände soll noch Gestaltungsfreiheit herrschen! Trotzdem oder gerade deshalb macht es Sinn, sich professionell beraten zu lassen, selbst wenn es „nur“ um die Renovierung einer Wohnung geht. Denn umso mehr gilt es dabei, das Bestmögliche aus einer bestehenden Situation herauszuholen, Potenziale im Grundriss zu erkennen und wirtschaftlich und clever wirksam zu machen. Architektinnen und Architekten haben die nötigen Voraussetzungen dafür: Sie sind es gewohnt, in räumlichen Zusammenhängen zu denken, haben Erfahrung mit der platzsparenden Organisation von unterschiedlichen Funktionen und wissen, wie sich mit Licht, Material und Raum ein Maximum an Wohnlichkeit erzeugen lässt.
Optimieren
Mit dem vorhandenen Flächenmaß so umzugehen, dass sich der Wohnraum klarer ordnet und erweitert, das war die Aufgabe bei einer Maisonettewohnung in einem Betonplattenbau der 1970er Jahre in Linz. Das Architekturbüro mia2 schuf Platz, indem die Treppe in optimierten Maßen neu errichtet wurde. Das innenliegende Bad konnte so nicht nur vergrößert, sondern mit einer Glaswand zudem natürlich belichtet werden. Die Küche wurde neu positioniert und zu einem offenen Wohn- und Essraum umgestaltet. Die Energiebilanz wurde mit einer Luftwärmepumpe und durch den Einbau neuer Fenster verbessert. Birkensperrholz als Treppenwand, Eiche am Boden, Stein in der Küche, grau und weiß lackierte Möbelfronten – die überlegte Materialwahl und reduzierte Oberflächengestaltung unterstützen den Eindruck der Aufgeräumtheit und Weite.
Reduzieren
Den Luxus der Leere und Offenheit hat auch Architekt Gerhard Fischill einer bescheidenen Singlewohnung von 50m² im neunten Stock eines Hochhauses von 1964 geschenkt. Gelungen ist das durch einen beherzten „Befreiungsschlag“. Bis auf die Fenster und die wesentlichen Wände wurde alle Ausstattung entfernt. Es gibt keine Türen und keine Sockelleisten, keine Bücherregale, Abstelltischchen oder Vorhangstangen. Dafür gibt es ganz einfach Raum: Da ist ein Boden aus Lärchenholz, der mit feiner Fuge an die weißen Wände schließt. Da sind präzise komponierte Durchblicke, die wie abstrakte Bilder aus Linien, Licht und Farbe wirken. Da sind wenige, sorgsam ausgewählte Möbelstücke und Objekte, die den bewussten, sinnlichen Gebrauch offerieren, ja verlangen. „Die Leere ist etwas Phantastisches“, sagt der Architekt, „aber sie fordert auch und das tut gut.“
Strukturieren
Die Großzügigkeit, die sich in Wohnbauten jüngeren Datums oft nur mit viel Raffinesse und architektonischen Tricks herstellen lässt, ist in den meisten Zinshäusern aus der Gründerzeit bereits vorhanden. Trotzdem braucht es umsichtige Planung, um das räumliche Angebot auch ideal zu nutzen und die vielfältige Bespielbarkeit der Zimmer zu erhalten. Architekt Alfred Barth ließ die dienenden Funktionen von Garderobe, Sanitärbereich und Stauraum praktisch und kompakt hinter einer neu eingezogenen Wandscheibe mit Schiebetüren verschwinden. Mit dem Durchbrechen einer Wand wurde zudem für einen offenen Übergang zwischen Küche und Wohnraum gesorgt, ohne die vorhandene Zonierung aufzugeben. Struktur und Charme des Altbaus wirken weiter, Ausstattung und Nutzung entsprechen den Bedürfnissen von heute.
Die Reihe ‚Architektur in Oberösterreich‘ im Kundenmagazin der HYPO Oberösterreich entstand auf Initiative von Tobias Hagleitner und in Kooperation mit dem afo architekturforum oberösterreich.