Am Rand des Lauteracher Rieds steht das Altstoffsammelzentrum Hofsteig. Im Herbst 2017 fertiggestellt, definiert der regionale „Ressourcenpark“ einen neuen Standard für diese kommunale Bauaufgabe. Möglich wurde das durch die gemeinsamen Anstrengungen der Gemeinden Wolfurt, Schwarzach, Kennelbach und Lauterach, die die Anlage im eigens gegründeten Gemeindeverband errichtet haben und betreiben.
Tobias Hagleitner | VN / Leben & Wohnen | 04.05.2019
Ein Kulturwandel ist im Gange, noch etwas zögerlich, trotzdem nicht zu übersehen: Die Wegwerfmentalität hat vom Kreislaufdenken Konkurrenz bekommen. Von „Müll“ spricht zum Beispiel kaum mehr jemand, haben wir es heute doch mit Alt- und Wertstoffen zu tun. Die Materialien werden dementsprechend getrennt, gesammelt und in eine neue Nutzungsphase überführt. Dass die fürs Recycling notwendige bauliche Einrichtung eines „Altstoffsammelzentrums“ mittlerweile als gestalterische Aufgabe ernstgenommen und architektonisch intensiv durchdacht wird, ist ein weiteres Indiz für den Fortschritt in die richtige Richtung. Recyclingkultur und Baukultur finden zusammen – das ist ein kleiner Etappenerfolg am Weg in eine ressourcenschonendere Zukunft.
Nach dem vielbeachteten Altstoffsammelzentrum der Architekten Marte und Marte in Feldkirch von 2014 ist es mit der neuen Anlage für die Hofsteiggemeinden ein weiteres Mal geglückt, die scheinbar rein funktional bestimmte Bautypologie einer Sammelstelle architektonisch klug zu formen und damit aufzuwerten. Bei diesem jüngsten Vorarlberger Vorzeigeprojekt zeichnen die Architekturbüros Hermann Kaufmann + Partner und Christian Lenz verantwortlich, die als Arbeitsgemeinschaft am Wettbewerb teilgenommen und den Zuschlag für die Ausarbeitung und Umsetzung ihres siegreichen Entwurfs erhalten haben.
Die nicht ganz einfache Standortfindung innerhalb der vier Gemeinden war auf ein Grundstück am Rand der Lauteracher Industriezone gefallen, im Übergang zur offenen Riedlandschaft. Ein Biomasseheizkraftwerk wurde als einzig vorhandenes Bestandsobjekt am Areal zum entwerferischen Ausgangspunkt für die neue Bebauung auf der grünen Wiese: „Wir haben diesen ehemaligen Solitär als Teil des Ensembles aufgefasst“, erklärt Andreas Ströhle, der zuständige Projektarchitekt, beim Besichtigungsrundgang. Das Bauwerk von Cukrowicz Nachbaur Architekten (2010) wurde zum Drehpunkt für die Erschließung des Geländes, die Fassade aus Fichten-Schwartlingen wurde übernommen und für die Außenwände von Halle und Grünschnittplatz fortgeführt.
„Es ist im Grunde ein Verkehrsprojekt“, erklärt Ströhle die logistische Herausforderung, optimale Bewegungsabläufe zu planen, Kunden- und Werksverkehr zu trennen und im Fluss zu halten. Während die Durchwegung bei vergleichbaren Projekten oft kreisförmig erfolgt, wurde in diesem Fall ein Einbahnsystem entwickelt. So können die unterschiedlichen Containerfraktionen längs der Sägezahnrampe einfach, ohne Wendemanöver und dank Mehrspurigkeit ohne Stau angefahren und die Anlage nach dem Abrechnen am anderen Ende wieder verlassen werden. Der Sammelplatz für Grünabfälle wurde entkoppelt und als eigenständiger Bauteil rechts der Haupteinfahrt angeordnet, dem Heizkraftwerk gegenüber. Durch die Länge des Grundstücks war die Aufteilung eine Notwendigkeit, mittlerweile stellt sich das aber als besonderer organisatorischer Vorteil heraus: „Besser kannst du es gar nicht machen“, resümiert ASZ-Geschäftsführer Reinhard Karg die Erfahrungen bisher.
Die Architekten haben der sensiblen Lage am Rand des Natura-2000-Europaschutzgebiets Rechnung getragen. Eine offene Lamellenwand aus Holz und Glas gibt den Blick frei hinaus ins Lauteracher Ried und auf die mächtige Stieleiche, die dank besonderer baumpflegerischer Zuwendung erhalten werden kann. Der Bezug zu diesem einzigartigen Naturraum wird damit hergestellt, der Schall bleibt dennoch auf der Industrieseite. Nach außen, wo der neue Landesradweg nun in wenigen Metern Abstand am Gebäude entlangführt, zeigt sich die Architektur als geschlossene, präzise konturierte Großform in der Landschaft, durch die rohe Holzfassade zugleich natürlich und schlicht. Nach innen, Richtung Industriestraße, ist das Sammelzentrum als offene „Schaubühne für die Präsentation der Altstoffe“ gestaltet, wie der Architekt formuliert. Dass die beschriebene Inszenierung klappt, dafür sorgt das elegante Tragwerk des Hallendachs, das die Fläche von 100 Metern Länge und 25 Metern Breite mit beinah akrobatischer Leichtigkeit zu überspannen scheint.
‚Baukulturgeschichte‘ im Auftrag des vai Vorarlberger Architektur Institut für das Magazin Leben & Wohnen der Vorarlberger Nachrichten.