Menschen in Notlagen brauchen eine solide Unterkunft – aber auch Gemeinschaft, Austausch und freundliche Atmosphäre. Dafür wurde das „Haus der jungen Arbeiter“ 1957 errichtet. Nun wurde es saniert und erweitert. Einfach und beständig wie damals, hell und wohnlich nach den Standards von heute.
Tobias Hagleitner | VN / Leben & Wohnen | 04.07.2015
Das Arbeiterwohnheim unmittelbar neben dem Dornbirner Bahnhof war schon in Bau, als Kaplan Emil Bonetti 1957 dessen Leitung übernahm. Seelsorgeamtsleiter Edwin Fasching, der eben verstorben war, hatte die Einrichtung ins Leben gerufen, um jungen Gastarbeitern – damals vor allem aus Kärnten und der Steiermark – dringend benötigte Unterkunft und Verpflegung zu ermöglichen, aber auch, um ihnen sozialen Rückhalt in einer schwierigen Lebenssituation zu bieten.
Der Grundgedanke blieb über die Jahrzehnte erhalten, die Bewohnerschaft allerdings wandelte sich im Lauf der Zeit. Nach den „Innerösterreichern“ kamen vor allem Arbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien. Mit dem Ende der wirtschaftlichen Boomjahre veränderte sich in den 80er-Jahren das Aufgabengebiet. Seither finden hier Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in Not geraten und wohnungslos sind, für gewisse Zeit Unterkunft und Betreuung.
„Mit dem Tod von Kaplan Bonetti vor acht Jahren wurde ein umfassender Organisationsentwicklungsprozess auf den Weg gebracht“, erläutert Peter Mayerhofer, Leiter des heutigen „Kaplan Bonetti Hauses“, die Vorgeschichte des Projekts: „Neben der Intensivierung des sozialarbeiterischen Angebots war rasch klar, dass es einer grundlegenden baulichen Erneuerung bedurfte.“ Dies mündete 2009 in einen geladenen Wettbewerb, den die Architektengemeinschaft Hörburger-Kuëss aus Bregenz für sich entscheiden konnte.
Schon vom Bahnhof aus zeigt sich eine wichtige Errungenschaft der Neugestaltung: Der Zugang, vormals zwischen den Bauteilen versteckt, ist durch den Abriss des bahnhofseitigen Trakts nach vorne gerückt und öffnet sich nun mit einladender Freitreppe und Vorplatz Richtung Stadt. Diese bewusst gewählte Geste überträgt die Haltung des Hauses erfolgreich auf den Raum: Ein Ort, der Menschen willkommen heißt anstatt sie auszugrenzen. Durch die Positionierung des neuen Gebäudes, das mit einem schmalen Verbindungselement im rechten Winkel ans Haupthaus anschließt, ergibt sich auf der anderen Seite im Südwesten ein attraktiver Gartenhof als geschützter Rückzugsraum im Freien.
Bewohner wie Gäste gelangen vom Vorbereich mit überdachtem Podest in einen freundlichen Empfangsraum. Von diesem Schnittpunkt der Erschließungswege von Alt- und Neubau geht es entweder über die bestehende Treppe nach oben in die Wohnetagen, nach links zu den Büros im neuen Trakt, oder geradeaus in den Speisesaal im Bestandsgebäude, der sich mit großzügiger Terrasse Richtung Garten öffnet. Als „Drehgelenk“ der beiden Bauteile dient der Bereich neben dem Stiegenaufgang auch in den oberen Geschoßen jeweils mit einer kleinen Teeküche als Treffpunkt und Aufenthaltsort. Im Erdgeschoß wurde straßenseitig eine moderne Küche untergebracht. Im natürlich belichteten Untergeschoß des Neubaus finden Gemeinschafts- und Beschäftigungsräume Platz: Bibliothek, Fernsehzimmer, Tischtennis- und Werkraum.
Kostengünstigkeit, Robustheit und gesetzliche Anforderungen bestimmen weitgehend das Erscheinungsbild einer solchen Einrichtung. Dass es nicht nur praktisch und pragmatisch, sondern auch freundlich und angenehm geworden ist, liegt an der guten Organisation des Raumprogramms, das mehrere Aufenthaltsbereiche mit unterschiedlichen Qualitäten im ganzen Haus verteilt anbietet. Darüber hinaus lebt die Architektur von vielen kleinen Details, die den „Mindeststandard“ nicht unbedingt auf den ersten Blick so wirken lassen.
Mit dem Umbau ist auch ein bemerkenswertes Beispiel moderner Vorarlberger Sakralarchitektur in den Vordergrund gerückt und saniert worden. Die Kapelle wurde 1960 wie das etwas ältere Haupthaus nach Plänen von Hans Burtscher errichtet, nur wenige Jahre vor der Kolumbankirche für Bregenz, die er nicht unähnlich mit zeltartigem Betondach konzipierte. Im Innenraum ist ein beeindruckendes Wandrelief von Herbert Albrecht zu bestaunen, das beinah zeitgleich mit dessen bekannter Portalplastik an der Klosterkirche Mehrerau entstanden ist.
‚Baukulturgeschichte‘ im Auftrag des vai Vorarlberger Architektur Institut für das Magazin Leben & Wohnen der Vorarlberger Nachrichten.