Ob Stadtkind oder Landei: Ein Haus im Grünen, mit Ausblick auf Wald und Wiesen, das ist der Wohntraum vieler. Dabei muss es kein Neubau sein. Gerade am Land gibt es Substanz genug, die auf neue Nutzung wartet.
Tobias Hagleitner | HYPOtime, 2017/II
Die ländliche Idylle, von der geträumt und erzählt, die verfilmt und vermarktet wird, gibt es so kaum mehr. Über lange Zeit bestehende Wirtschafts- und Lebensmodelle neigen sich dem Ende zu. Die oft klein strukturierten, familiär geführten Agrarbetriebe müssen entweder empfindlich wachsen, ihre Betriebsweise radikal umstellen oder aber aufgeben.
Wie immer der Wandel beurteilt wird, was auch die Schlüsse daraus sind – sicher ist, dass das positive Bild vom Landleben eng mit dessen traditionellen Inventar zusammenhängt. Dazu gehört der historische Bestand an landwirtschaftlichen Bauten. Noch prägen alte Höfe, Ställe und Speicher, stolze Vierkanter und einfache Bauernhäuser den „ländlichen Raum“. Und sie sind entscheidender Teil seiner Anziehungskraft als Wohngebiet.
Umso bedauerlicher, dass vieles nicht mehr genutzt wird und leer steht, vom Abriss bedroht oder bereits verschwunden und Neuem gewichen ist. Dabei bietet der landwirtschaftliche Bestand etwa durch schlichte wie kluge innere Strukturen, großzügige Hof- und Dachräume oder vorzügliche landschaftliche Einbettung oft Qualitäten, die mit einem Neubau kaum herzustellen sind. Einige Projekte der vergangenen Jahre in Oberösterreich zeigen beispielhaft, welches Potenzial in den Bauten steckt und wie deren Wert mit architektonischer Raffinesse genutzt und noch gesteigert werden kann.
Alt und jung
Eine Familie in Natternbach hat die Landwirtschaft aufgegeben, wollte ihren typischen „Hausruckhof“ aber weiterhin bewohnen. Gemeinsam mit den Architekten wurde das Gehöft für ein zeitgemäßes Zusammenleben von drei Generationen fit gemacht. Der ehemalige Stadel wurde zum Wohnbereich der Großeltern, die Jungfamilie nutzt den renovierten Hausstock. Im Stall fanden Hackgutheizung, Werkstatt und Garage Platz. Das alles wurde mit großem Respekt für die innere Struktur des Vierseitensembles und dessen „Gesicht“ nach außen bewerkstelligt.
Einen etwas radikaleren Eingriff wünschte sich ein Bauherr in Eferding vom Architekten. Auch in diesem Vierkanthof ist die landwirtschaftliche Produktion Geschichte. Unter dem neu aufgesetzten Dach finden heute extern vermietete Starterwohnungen, die Werbeagentur und Wohnbereiche der Bauherrschaft Platz, ebenfalls in unabhängigen Einheiten für Senior und Junior. Das in Material und Konstruktion sichtbar Neue schafft durch Beibehaltung der typischen Proportionen, Trauf- und Firsthöhen die Verbindung mit den schlicht adaptierten Bestandsteilen.
Wohnen und arbeiten
Der Hof O. steht in Kematen an der Krems. Für die Familie, die den Dreiseithof erwarb, wurde die komplex verwachsene Substanz unterschiedlichen Baualters mit großer Sorgfalt freigelegt und restauriert. Eine ergänzende Holzkubatur, die in die bestehende Konstruktion der Tenne eingefügt wurde, und ein gläserner Erschließungsgang im Hof schaffen zusätzlichen Wohn- und Arbeitsraum. Das Projekt wurde im März mit dem DAIDALOS-Architekturpreis der OÖNachrichten in der Sanierungskategorie als besonders „Gelungene Reparatur“ ausgezeichnet.
Die Reihe ‚Architektur in Oberösterreich‘ im Kundenmagazin der HYPO Oberösterreich entstand auf Initiative von Tobias Hagleitner und in Kooperation mit dem afo architekturforum oberösterreich.