Neue Produkte und Verfahren schaffen Mehrwert. Vorausgesetzt, sie werden sinnvoll angewandt – die Kategorie „Innovative Lösung“ beim Architekturpreis Daidalos.
Tobias Hagleitner | OÖNAchrichten | 24.11.2018
Unablässig ist der Strom an Produktneuheiten und technologischen Erfindungen, die der freie Wettbewerb hervorbringt. Die Neuerungseuphorie der globalen Marktwirtschaft beeinflusst die Entwicklung von Architektur und Bauen. Beginnend bei der Haustechnik, Wärmeversorgung, Lüftung, Licht, über die Bautypologie, die sich etwa an neue Fenstertechnik oder Dämmmethoden anpasst, bis hin zur Gestaltung von Oberflächen und Ausstattung, die aus den Möglichkeiten aktueller Materialien und Produkte Neues schöpft. Nicht zu vergessen den rasanten Fortschritt im Bereich der digitalen Werkzeuge, mit deren Hilfe sämtliche Bauwerksdaten immer stärker vernetzt, modelliert und kombiniert werden können, mit Auswirkungen auf Planung und Errichtung, aber auch auf den Betrieb von Gebäuden.
Neue Ideen
Das ist die Kraft der „Innovation“, die in aller Munde ist. Kaum ein Werbetext kommt ohne dieses Schlagwort aus, selbst die Politik bleibt davon nicht verschont. Dabei ist das „Neue“ kein Wert an sich. Entscheidend sind die Qualität und Angemessenheit seiner Anwendung. „Innovative Lösung“ im Sinn des Daidalos meint deshalb mit Blick aufs Bauen insbesondere das ausgewogene Verhältnis – zwischen dem, was theoretisch möglich, und dem, was tatsächlich wünschenswert und brauchbar ist.
Vor allem in dieser Kategorie sind Bauprojekte willkommen, die einen hohen Anteil an Ingenieur- und Fachplanung neben der architektonischen Leistung notwendig machten. Denkbar wären Brückenbauwerke oder Tiefbauten, die technisch wie gestalterisch auf hohem Niveau realisiert wurden. Es könnte auch räumlich in die Höhe gehen, so wie der Aussichtsturm aus Stahl und Lärchenholz am Pyramidenkogel, der von Daidalos-Juror Architekt Markus Klaura gemeinsam mit Dietmar Kaden in Kärnten realisiert wurde.
Mit einem Projekt aus dem westlichsten Bundesland lässt sich illustrieren, welches Potenzial beispielsweise einer städtischen Brücke entlockt werden kann: Die Dornbirner Sägerbrücke wurde von der Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher breiter als lang konzipiert. Dank vieler, gut überlegter Details wird sie zu einem richtigen Platz, zum attraktiven Knotenpunkt für Stadt- und Landbus, für den Rad- und Fußverkehr.
Neue Baukultur
Neben sogenannten „Ingenieurbauwerken“ sind alle Gebäude willkommen, ganz gleich welcher Größe und Funktion, die auf neuartige Baustoffe, Konstruktionen oder Energiekonzepte setzen. Innovation kann dabei durchaus auch bedeuten, Qualitäten verworfener Methoden aus früheren Zeiten wiederzuentdecken und in verbesserter, modernisierter Anwendung für die Gegenwart zu nutzen. Zum Beispiel so, wie das beim Bürohaus 2226 der Architekten Baumschlager Eberle in Lustenau (ebenfalls Vorarlberg) der Fall ist. Es kommt ohne ergänzende Isoliermaterialien und beinah ohne Klimatechnik aus. Im Winter sorgt die Abwärme von Menschen, Licht und Computern für den nötigen Temperaturkomfort. Belüftet wird der zweischalige Ziegelbau von fast 80 cm Wandstärke über schmale Lüftungsflügel in den Fenstern auf natürliche Weise, gesteuert allerdings hochtechnologisch über CO²- und Temperatursensoren.
Architektur ist immer ein arbeitsteiliges Gebilde. Ein gelungenes Bauwerk ist folglich nur durch bestens koordinierte Zusammenarbeit in Planung und Umsetzung zu haben. Das braucht Zeit, Sorgfalt, gegenseitiges Vertrauen und Kommunikationsbereitschaft von Anfang an. Das übertriebene Ausmaß an Normen und Sicherheitsvorschriften, hoher Konkurrenz- und Kostendruck stehen dem im Weg. Die Kategorie „Innovative Lösung“ bezieht sich deshalb nicht nur auf den Innovationswert einer bautechnischen Umsetzung, sondern meint dezidiert auch Planungs- und Entwicklungsprozesse, die den komplexen Anforderungen heutigen Bauens mit neuen, mutigen und kreativen Herangehensweisen begegnen und gerecht werden.
In fünf Jahren als Architekturkritiker der OÖNachrichten, von 2014 bis 2019, sind insgesamt rund 70 Beiträge erschienen. Dieser Text erschien im Zusammenhang des Architekturpreis Daidalos der OÖNachrichten, den ich in den Jahren 2016 und 2018 inhaltlich gestaltete, journalistisch begleitete und mitjurierte.